top of page

Veränderungsprozesse in sozialen Einrichtungen

Unser Bildungssystem steckt seit Jahren, wenn nicht sogar Jahrzehnten, in einer Krise und immer wieder werden verschiedene Stellschrauben gedreht. Am Ende tut sich trotzdem nichts. Warum ist das so?

Um diese Frage zu beantworten, ist es wichtig die Dynamik von Veränderungsprozessen zu verstehen. Daher decke ich in diesem Beitrag die typischen Fehler während Veränderungsprozessen auf und zeige dir, wie du es in deiner Einrichtung ab sofort besser machen kannst.


Symbolik für Veränderung in sozialen Einrichtungen

Definieren wir an dieser Stelle erst einmal Veränderungsprozesse. "Verändern wird sich unsere Welt weiterhin jeden einzelnen Tag und somit natürlich auch unsere Bildungswelt. Unsere sozialen Einrichtungen unterliegen somit einem ständigen Wandel, egal ob es von den Menschen vor Ort gewollt ist oder nicht. Diese Veränderung wird kaum wahrgenommen und ist meist durch gesellschaftliche und politische Entscheidungen geprägt. Eine gewisse Bewegung innerhalb einer Kita ist also ein ganz normaler Zustand" und ist nicht als Veränderungsprozess im Sinne dieses Beitrags zu verstehen. (Hohmann/Wedewardt/Finger/Füchtenschenider/Vasiliadis/Sasse/Lisowski/Noß/Grimm, 2023, Kita (R)Evolution - Zeit für Veränderung, S.91) Die Veränderungsprozesse von denen ich in den nächsten Absätzen spreche, sind gewollte, durch konkreten Ziele definierte Verbesserungen, welche durch die Menschen vor Ort umgesetzt werden. Natürlich können diese Prozesse von Externen begleitet und dadurch effizienter gestaltet werden, die Entscheidungsgewalt, welcher Weg der geeignetste ist, wird jedoch unbedingt von den Akteuren vor Ort getroffen.


Veränderungen in sozialen Einrichtungen sind oft komplex und von vielen Variablen beeinflusst. Kitas, Schulen, Jugendhilfe- und ähnliche Einrichtungen sind in einem Geflecht von Erwartungen, Rechtsansprüchen, Werten und Idealvorstellungen vieler verschiedener Parteien.

Firmen der freien Wirtschaft haben meist zwei große Aspekte, die einen wesentlichen Einfluss nehmen. Zum einen die definierten Werte nach denen das Unternehmen arbeiten möchte und zum anderen der Gewinn ihrer Arbeit, damit sie weiterhin bestehen, wenn nicht sogar wachsen können. Alle weiteren Erwartungshaltungen können diesen beiden Aspekten zum größten Teil untergeordnet werden.

In sozialen Einrichtungen sieht das ganz anders aus. Allein die Erwartungen der Eltern stehen den Möglichkeiten Gewinn zu erzielen sehr konträr gegenüber. Dann kommen noch die Erwartungen der Fachkräfte, die des Trägers, die der Kommune, verschiedene Rechtsansprüche, die Bedürfnisse der Kinder und zumeist sehr praxisferne Ideen der Politik dazu. Von den häufig mangelnden Rahmenbedingungen vor Ort, wie zu kleinen Räumen oder dem aktuellen Personalmangel brauche ich gar nicht erst anfangen.


Veränderungsprozesse in sozialen Einrichtungen sind von Natur aus herausfordernder als in anderen Unternehmen und benötigen daher mehr Aufmerksamkeit und Zeit. Und trotzdem glaubt die Politik und leider immer noch viele Träger, Leitungen und Fachkräfte, dass klappt schon nebenbei.


Die Natur von Veränderungsprozessen

Veränderungsprozesse durchlaufen typischerweise verschiedene Phasen und bekanntlich dauert es eine Weile von der Erkennung der Notwendigkeit bis zur Implementierung neuer Maßnahmen.


Die einzelnen Phasen und die zwei Ebenen, in die sie unterteilt werden, stelle ich dir mit Hilfe dieses Schaubildes vor:


verschiedene Phasen eines Veränderungsprozesses aufgeteilt in die Sachebene und die psychologische Ebene

Keine Sorge, was auf den ersten Blick unfassbar kompliziert aussieht, hast du in deinem Alltag schon tausendmal erlebt. Jedes Mal, wenn...

  • du deine Wohnung oder Haus umgestaltet hast oder ein Zimmer darin.

  • du einen Schrank umsortiert hast.

  • du eine neue Gewohnheit in deinen Alltag integriert oder es zumindest versucht hast.

  • deine Vorgesetzten dir eine neue Aufgabe gegeben haben.

  • quasi immer dann, wenn du auch nur eine klitzekleine Sache in deinem Alltag verändert hast. Gewollt oder ungewollt.


Die Sachebene, also die im Schaubild rot hinterlegten Phasen, kannst du nicht umgehen. Du durchläufst sie mehr oder weniger automatisch.

Ein Beispiel: Du möchtest dein Büro/Arbeitsplatz umgestalten.


  1. Vorbereitung: In dieser Phase erkennst du als aller erstes die Notwenigkeit für eine Veränderung. Es gibt also irgendetwas, dass dich an der aktuellen Situation stört: Zu wenig Platz auf dem Schreibtisch, keine Ordnung in deinen Unterlagen und einfach keine Wohlfühl-Atmosphäre. Außerdem hast du ständig Rückenschmerzen und deine Konzentration lässt auch zu wünschen übrig. Nachdem du die Entscheidung getroffen hast, dieses Projekt wirklich anzugehen, stöberst du ein bisschen im Internet, lässt dich inspirieren, sammelst die ersten Ideen und versicherst dich schonmal bei deinen Freund:innen, dass sie nächstes Wochenende in Malerkleidung vorbeikommen.

  2. Analyse: In dieser Phase identifizierst du mögliche Probleme und suchst bereits nach Verbesserungsvorschlägen. Du sortierst welche Möbel bleiben, welche einen neuen Anstrich bekommen und welche sich ein neues Zuhause suchen müssen. Ebenso misst du den Raum aus und erkundigst dich, wie viel Farbe du für die Wand hinter deinem Schreibtisch brauchst. Möglicherweise stellst du fest, dass dein Schreibtisch zu klein ist für die neuen Ideen, in die du dich bereits verliebt hast und begibst dich nochmal ins Internet zur Lösungsfindung.

  3. Planung: Während der Planung entwickelst du konkrete Maßnahmen, um die bereits identifizierten Probleme anzugehen und legst konkrete Ziele fest. Darüber hinaus vergibst du die ersten Verantwortungen an deine Freundinnen und Freunde: Wer bringt eine Bohrmaschine mit? Wer hat noch Farbrollen im Keller?, etc. Außerdem bestellst du alle neuen Möbel, die du dir ausgesucht hast, damit sie an Tag X alle aufgebaut werden können. Mir ist bewusst, dass die wenigsten von uns eine Büroumgestaltung so genau und weit im Voraus planen. Aber je besser die Planung, desto schneller und erfolgreicher die Umsetzung. Eine gute Planung ist bei der Neubesetzung der Kitaleitung natürlich durchaus wichtiger als bei einer Büroumgestaltung.

  4. Umsetzung: Hier wird es praktisch. In dieser Phase werden Möbel gerückt und die Farbrollen geschwungen. Tatsächlich wird an dieser Stelle das umgesetzt, was in der Planungsphase gedacht wurde. Je weniger in der Planungsphase übersprungen wurde, desto reibungsloser kann diese Phase durchlaufen werden. Auch hier gilt, Verzögerungen bei der Umgestaltung deines Arbeitsplatzes, welche vermutlich nur dich selbst betreffen, sind nicht weiter schlimm. Sollten aber mehrerer Personen von einem Veränderungsprozess betroffen sein, können schon kleine Verzögerungen zu Widerständen führen und Aussagen provozieren wie: “Ich habe doch gleich gesagt, dass das nicht funktionieren wird.”

  5. Kontrolle/Entwicklung: Auch wenn die Beendung der Umsetzungsphase bereits das Gefühl gibt, den Prozess vollständig durchlaufen zu haben, dürfen wir die Phase der Kontrolle auf keinen Fall außer Acht lassen. In dieser Phase überprüfst du, ob alle Ziele erreicht wurden und bewertest das Ergebnis. Erfüllt dein neuer Arbeitsplatz wirklich alles was du dir erhoffst und geplant hast? Wenn ja, wunderbar. Wenn nicht, solltest du dir an dieser Stelle Gedanken machen, ob du mit den nicht erreichten Zielen leben kannst oder ob du diese nochmal angehen willst und somit die fünf Phasen erneut durchläufst. Es ist zu erwarten, dass in dieser Phase kleine Anpassungen vorgenommen werden, gerade wenn mehrere Menschen vom Ergebnis betroffen sind. Ein gutes Tool für eine schnelle Verbesserung ist der PDCA-Zyklus, mehr dazu findest du in meinem Blogbeitrag zum Kaizen.


Die psychologische Ebene von Veränderungsprozessen oder auch der Grund warum sie so häufig scheitern.

Die psychologische Ebene ist im Schaubild beige hinterlegt und der eigentliche Grund, warum Veränderungsprozesse so häufig scheitern.


Das Konzept der drei Phasen "Unfreezing", "Moving" und "Refreezing" wurde von Kurt Lewin, einem Pionier der Sozialpsychologie, entwickelt. Denn neben den Dingen, die wir aktiv tun, um einen Veränderungsprozess zu durchlaufen, müssen auch unser Gehirn und unsere Gedanken diese Prozess mitgehen. Ansonsten haben wir zwar äußerlich alles verändert, unser Kopf bleibt aber in seinen alten Routinen und wir machen einfach weiter wie bisher. Das beste Beispiel dafür sind die tausenden Anmeldungen in Fitness-Studios jedes Jahr im Januar.

Den so verbreiteten Vorsatz "mehr Sport machen" erreichen wir nicht nur die Anmeldung im Studio, sondern durch eine wirkliche Veränderung unserer Routinen. Und die findet nun mal im Kopf statt.


Folgende drei Phase verraten dir mehr dazu:

  1. Unfreezing (Auftauen): In dieser Phase wird der Status quo destabilisiert, um den Weg für Veränderungen zu ebnen. Dies bedeutet, dass bestehende Denkweisen, Gewohnheiten und Strukturen in Frage gestellt werden. In dieser Phase bewerten wir die bisherige Situation erstmal als "Problem" und entscheiden, dass sich etwas ändern soll. Der Auslöser dafür kann nahezu alles sein: externen Druck, neue Informationen oder die eigene Unzufriedenheit. Das Ziel dieser Phase ist es, Bereitschaft zur Veränderung zu schaffen, indem bestehende Denkmuster und Verhaltensweisen in Frage gestellt und neue Perspektiven und Möglichkeiten präsentiert werden. Diese Phase der Unstabilität muss jede beteiligte Person erreichen, ansonsten ist ein vollumfänglicher Veränderungsprozess von Anfang an zum Scheitern verurteilt.

  2. Moving (Bewegung): In dieser Phase findet die eigentliche Veränderung statt. Neue Ideen, Praktiken oder Strukturen werden eingeführt und umgesetzt. Je größer die Gruppe der Beteiligten, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass diese Phase von Widerständen betroffen ist. In dieser Phase ist Unterstützung der Beteiligten, Partizipation aller und eine transparente Kommunikation wichtiger denn je.

  3. Refreezing (Wiedererstarren): In dieser Phase wird ein neuer Gleichgewichtszustand erlangt und im besten Fall lieben gelernt. Wenn nicht das, dann muss er zumindest akzeptiert werden, ansonsten werden wir in die erste Phase zurück geworfen. Kommen alle Beteiligten in den neuen Strukturen an, werden neue Denkmuster und Verhaltensweisen zur neuen Norm. Dies kann durch formelle Richtlinien, Prozesse und Kulturveränderungen erreicht werden. Das Ziel des "Wiedererstarrungsprozesses" ist es, sicherzustellen, dass die Veränderungen nachhaltig sind und nicht einfach zu alten Gewohnheiten zurückgekehrt wird. Es ist wichtig, die neuen Praktiken zu festigen und kontinuierlich zu überwachen, um sicherzustellen, dass sie effektiv bleiben. Je mehr Beteiligte, desto länger dauert diese Phase.


Jede einzelner dieser Phasen muss bei der Planung und Umsetzung einer Veränderung in sozialen Einrichtungen intensiv mitgedacht werden. Ansonsten ist der Erfolg dem Zufall überlassen.

Typische Fehler während eines Veränderungsprozesses


  • Die Planungsphase wurde nicht ernst genommen oder hat aus anderen Gründen zu wenig Aufmerksamkeit und Zeit bekommen.

    • Das Ergebnis ist eine holprige Umsetzungsphase mit Verzögerungen und dadurch viele Widerstände und Sätzen wie "Das war von Anfang an zum Scheitern verurteilt." oder "Ich habe doch gewusst, dass es nicht funktioniert."

  • Nach der Umsetzungsphase werden die Füße hochgelegt, weil doch alles erledigt ist.

    • Je nach Überzeugungen im Team seit ihr schneller wieder am Ausgangspunkt, als du gucken kannst. Auch wenn neue Strukturen implementiert wurden, heißt das noch lange nicht, dass diese langfristig umgesetzt werden.

  • Das Vorhaben wir so lange wie möglich geheim gehalten, damit keine Unruhen im Team oder bei den Familien aufkommen.

    • Netter Gedanke, aber damit bringst du die Gerüchteküche erst so richtig zum brodeln! Es muss nur eine Person etwas vermuten und berechtigte Sorgen keimen in den Köpfen. Übrigens muss diese Vermutung noch nicht mal der Wahrheit entsprechen, es reicht die Aussage, dass irgendetwas im Busch ist.


Wie du diese Fehler vermeidest, was genau in welcher Phase zu beachten ist und wie du Veränderungsprozesse ab jetzt zum Lieblingsthema deines Teams machst, verraten ich dir im kostenpflichten Teil dieses Beitrags.


Melde dich auch gerne zu meinem Webinar am 04. Juli um 18 Uhr an. Dort werden wir das Thema vertiefen und du hast Zeit für all deine Fragen.




Lade dir hier eine Checkliste zu jeder der 5 Phasen der Sachebene herunter. Alle Punkte, die du für die 3 Phasen der psychologischen Ebenen zusätzlich beachten musst, sind bereits in die Checkliste an den richtigen Stellen eingearbeitet.

Für den nächsten Veränderungsprozess brauchst du also nur noch die Checklisten ausdrucken und Punkt für Punkt abhacken.



Möchtest du weiterlesen?

101visionen.com abonnieren, um diesen Beitrag weiterlesen zu können.

45 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

留言

無法載入留言
似乎有技術問題。請重新連線或重新整理頁面。
bottom of page